Die Stadtratsfraktion Grüne Augsburg hat einen Rechtswissenschaftler der Uni Augsburg beauftragt, ein Gutachten zum Bürgerbegehren „Augsburger Stadtwerke in Augsburger Bürgerhand“ zu erstellen. Dieser kommt laut einer Pressemitteilung der Grünen zu dem Ergebnis, dass die Fragestellung des Bürgerbegehrens rechtlich unzulässig sei: Die Frage verstoße gegen den „Bestimmtheitsgrundsatz“, das „Koppelungsverbot“ und das „Irreführungsverbot“.
Aber was bedeutet das jeweils? Hier der Text der Fragestellung und der Begründung.
Auf den ersten Blick fällt es uns als Laien schwer, in der Fragestellung des Begehrens (die Begründung mal außen vor gelassen) Fehler im Sinne dieser Stichworte zu erkennen. Aber Rechtsthemen sind ja oft für Fachfremde undurchdringbar – das Gutachten wird hoffentlich etwas mehr Klarheit bringen, sobald es die Grünen nach der geplanten Vorstellung am 18.3.2015 veröffentlichen. Ob das Ganze dann für den normalen Bürger nachvollziehbar wird? Darauf sind wir sehr gespannt.
Die Augsburger Piraten unterstützen jedenfalls weiterhin die Fragestellung des Bürgerbegehrens als Schritt in die richtige Richtung, auch wenn diese aus unserer Sicht noch nicht weit genug geht: Wir fordern darüber hinaus in unserem Programm, dass die Stadtwerke GmbH wieder in einen Eigenbetrieb der Stadt Augsburg überführt werden soll.
Hier vorab für alle Interessierte einiges, was man an Rechtssprechung und Kommentaren zu den Stichworten findet:
Bestimmtheitsgrundsatz
Buch „Kommunalrecht Bayern“, Seite 117: „[…] muss das Begehren eine inhaltlich bestimmte, mit Ja oder Nein zu entscheidende Frage aufwerfen“
VG Regensburg · Urteil vom 21. Januar 2009 · Az. RN 3 K 08.00244: „Grundsatzentscheidungen sind bürgerbegehrensfähig und -tauglich.“
Koppelungsverbot
Verbot der Koppelung sachlich nicht zusammenhängender Materien in einem Volksbegehren
Buch „Kommunalrecht Bayern“, Seite 117: „[…] wobei es auch zulässig ist, mehrere Fragen in einem Begehren zu verbinden (Huckepackverfahren), sofern diese Fragen eine innere sachliche Verbindung aufweisen, d.h. thematisch dieselbe Angelegenheit betreffen.“
Pressemitteilung zur Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 24. Februar 2000 im Verfahren Volksbegehren „Unabhängige Richterinnen und Richter in Bayern“: „Das Demokratieprinzip und die Abstimmungsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger im Volksgesetzgebungsverfahren verlangen, daß die Bürger ihren Willen unverfälscht und so differenziert wie möglich zur Geltung bringen können. Das ist jedenfalls dann nicht zu verwirklichen, wenn die Bürger gezwungen wären, über sachlich nicht zusammenhängende Regelungsvorschläge „im Paket“ abzustimmen. Bei einer derartigen Verfahrensgestaltung bestünde die Gefahr der Verfälschung des Abstimmungswillens, z.B. wenn ein sehr populäres Anliegen mit einem sehr unpopulären zusammengespannt würde.“
Irreführungsverbot
VGH Baden-Württemberg · Beschluss vom 22. August 2013 · Az. 1 S 1047/13: „Die Begründung eines Bürgerbegehrens nach § 21 Abs. 3 Satz 4 GemO darf für das Bürgerbegehren werben und Wertungen, Schlussfolgerungen und Erwartungen enthalten, die einem Wahrheitsbeweis nicht zugänglich sind. Sie muss die für die Entscheidung wesentlichen Tatsachen zutreffend darstellen. Die Begründung ist rechtswidrig, wenn sie in wesentlichen Punkten falsch, unvollständig oder irreführend ist.
[…]
Gemäß § 21 Abs. 3 Satz 4 GemO zählt eine Begründung zum zwingenden Inhalt eines Bürgerbegehrens. An die Begründung sind keine hohen Anforderungen zu stellen […]. Die Begründung dient dazu, die Unterzeichner über den Sachverhalt und die Argumente der Initiatoren aufzuklären. Der Bürger muss wissen, über was er abstimmt. Dabei lassen Raumgründe eine ausführliche Erörterung des Für und Wider regelmäßig nicht zu. Die Begründung darf auch für das Bürgerbegehren werben. Aus diesen Funktionen der Begründung folgt, dass diese zum einen die Tatsachen, soweit sie für die Entscheidung wesentlich sind, zutreffend darstellen muss und dass sie zum anderen Wertungen, Schlussfolgerungen und Erwartungen enthalten darf, die einem Wahrheitsbeweis nicht zugänglich sind. Maßgebend für eine inhaltliche Kontrolle der Begründung ist das Ziel, Verfälschungen des Bürgerwillens vorzubeugen. Ist dies gewährleistet, ist es vorrangig Sache der abstimmungsberechtigten Bürger, sich selbst ein eigenes Urteil darüber zu bilden, ob sie den mit dem vorgelegten Bürgerbegehren vorgetragenen Argumenten folgen wollen oder nicht. Gewisse Überzeichnungen und bloße Unrichtigkeiten in Details sind daher hinzunehmen. Die Grenze einer sachlich noch vertretbaren, politisch unter Umständen tendenziösen Darstellung des Anliegens des Bürgerbegehrens ist jedoch dann überschritten, wenn die Begründung in wesentlichen Punkten falsch, unvollständig oder irreführend ist.“
Bayerische Verfassung und Gemeindeordnung:
Art. 2 Abs. 1 Bayerische Verfassung: „Bayern ist ein Volksstaat. Träger der Staatsgewalt ist das Volk“
Art. 7 Abs. 2 Bayerische Verfassung: „Der Staatsbürger übt seine Rechte aus durch Teilnahme an Wahlen, Volksbegehren und Volksentscheidungen.“
Bayerische Gemeindeordnung Art. 18a
Bürgerbegehren und Bürgerentscheid
(1) Die Gemeindebürger können über Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises der Gemeinde
einen Bürgerentscheid beantragen (Bürgerbegehren).
(2) Der Gemeinderat kann beschließen, dass über eine Angelegenheit des eigenen Wirkungskreises der
Gemeinde ein Bürgerentscheid stattfindet.
(3) Ein Bürgerentscheid findet nicht statt über Angelegenheiten, die kraft Gesetz dem Bürgermeister
obliegen, über Fragen der inneren Organisation der Gemeindeverwaltung, über die Rechtsverhältnisse
der Gemeinderäte, des Bürgermeisters und der Gemeindebediensteten und über die Haushaltssatzung.
(4) Das Bürgerbegehren muss bei der Gemeinde eingereicht werden und eine mit Ja oder Nein zu
entscheidende Fragestellung und eine Begründung enthalten sowie bis zu drei Personen benennen, die
berechtigt sind, die Unterzeichnenden zu vertreten. Für den Fall ihrer Verhinderung oder ihres
Ausscheidens können auf den Unterschriftenlisten zusätzlich stellvertretende Personen benannt
werden.
(5) Das Bürgerbegehren kann nur von Personen unterzeichnet werden, die am Tage des
Bürgerbegehrens Gemeindebürger sind. Für die Feststellung der Zahl der gültigen Unterschriften ist
das von der Gemeinde zum Stand dieses Tages anzulegende Bürgerverzeichnis maßgebend.
(6) Ein Bürgerbegehren muss in Gemeinden
bis zu 10.000 Einwohnern von mindestens 10 v.H.,
bis zu 20.000 Einwohnern von mindestens 9 v.H.,
bis zu 30.000 Einwohnern von mindestens 8 v.H.,
bis zu 50.000 Einwohnern von mindestens 7 v.H.,
bis zu 100.000 Einwohnern von mindestens 6 v.H.,
bis zu 500.000 Einwohnern von mindestens 5 v.H.,
mit mehr als 500.000 Einwohnern von mindestens 3 v.H.
der Gemeindebürger unterschrieben sein.
(7) (aufgehoben)
(8) Über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens entscheidet der Gemeinderat unverzüglich, spätestens
innerhalb eines Monats nach Einreichung des Bürgerbegehrens. Gegen die Entscheidung können die
vertretungsberechtigten Personen des Bürgerbegehrens ohne Vorverfahren Klage erheben.
(9) Ist die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens festgestellt, darf bis zur Durchführung des
Bürgerentscheids eine dem Begehren entgegenstehende Entscheidung der Gemeindeorgane nicht mehr
getroffen oder mit dem Vollzug einer derartigen Entscheidung nicht mehr begonnen werden, es sei
denn, zu diesem Zeitpunkt haben rechtliche Verpflichtungen der Gemeinde hierzu bestanden.
(10) Der Bürgerentscheid ist an einem Sonntag innerhalb von drei Monaten nach der Feststellung der
Zulässigkeit durchzuführen; der Gemeinderat kann die Frist im Einvernehmen mit den
vertretungsberechtigten Personen des Bürgerbegehrens um höchstens drei Monate verlängern. Die
Kosten des Bürgerentscheids trägt die Gemeinde. Stimmberechtigt ist jeder Gemeindebürger. Die
Möglichkeit der brieflichen Abstimmung ist zu gewährleisten.
(11) Ist in einem Stadtbezirk ein Bezirksausschuss gebildet worden, so kann über Angelegenheiten, die
diesem Bezirksausschuss zur Entscheidung übertragen sind, auch innerhalb des Stadtbezirks ein
Bürgerentscheid stattfinden. Stimmberechtigt ist jeder im Stadtbezirk wohnhafte Gemeindebürger. Das
Bürgerbegehren ist beim Bezirksausschuss zur Weiterleitung an den Stadtrat einzureichen. Die
Vorschriften der Absätze 2 bis 16 finden entsprechend Anwendung. Mehr Demokratie e.V. Landesverband Bayern 13
(12) Bei einem Bürgerentscheid ist die gestellte Frage in dem Sinne entschieden, in dem sie von der
Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen beantwortet wurde, sofern diese Mehrheit in Gemeinden
bis zu 50.000 Einwohnern mindestens 20 v.H.,
bis zu 100.000 Einwohnern mindestens 15 v.H.,
mit mehr als 100.000 Einwohnern mindestens 10 v.H.
der Stimmberechtigten beträgt. Bei Stimmengleichheit gilt die Frage als mit Nein beantwortet. Sollen
an einem Tag mehrere Bürgerentscheide stattfinden, hat der Gemeinderat eine Stichfrage für den Fall
zu beschließen, dass die gleichzeitig zur Abstimmung gestellten Fragen in einer miteinander nicht zu
vereinbarenden Weise beantwortet werden (Stichentscheid). Es gilt dann diejenige Entscheidung, für
die sich im Stichentscheid die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen ausspricht. Bei
Stimmengleichheit im Stichentscheid gilt der Bürgerentscheid, dessen Frage mit der höchsten
Stimmenzahl mehrheitlich beantwortet worden ist.
(13) Der Bürgerentscheid hat die Wirkung eines Beschlusses des Gemeinderates. Der Bürgerentscheid
kann innerhalb eines Jahres nur durch einen neuen Bürgerentscheid abgeändert werden, es sei denn,
dass sich die dem Bürgerentscheid zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage wesentlich geändert hat.
(14) Der Bürgerentscheid entfällt, wenn der Gemeinderat die Durchführung der mit dem
Bürgerbegehren verlangten Maßnahme beschließt. Für einen Beschluss nach Satz 1 gilt die
Bindungswirkung des Absatzes 13 Satz 2 entsprechend.
(15) Die im Gemeinderat und die von den vertretungsberechtigten Personen des Bürgerbegehrens
vertretenen Auffassungen zum Gegenstand des Bürgerentscheids dürfen in Veröffentlichungen und
Veranstaltungen der Gemeinde nur in gleichem Umfang dargestellt werden. Zur Information der
Bürgerinnen und Bürger werden von der Gemeinde den Beteiligten die gleichen Möglichkeiten wie
bei Gemeinderatswahlen eröffnet.
(16) Das Ergebnis des Bürgerentscheids ist den Gemeindebürgern in der ortsüblichen Weise bekannt
zu machen.
(17) Die Gemeinden können das Nähere durch Satzung regeln. Das Recht auf freies
Unterschriftensammeln darf nicht eingeschränkt werden.”
(18) Art. 3a des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes findet keine Anwendung.
(Der Bürgerentscheid auf Landkreisebene ist entsprechend geregelt.)